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07.12.2022

Raise and Un-Raise Your Voices! Choirs in Moving Images | Teil 3

Raise and Un-Raise Your Voices! Choirs in Moving Images | Teil 3

 

Raise and Un-Raise Your Voices! Choirs in Moving Images
Programmreihe kuratiert von Marietta Kesting und Constanze Ruhm

 

Musikalische und rhythmische Töne produzieren zu können, ist eine Fähigkeit, die Menschen, Maschinen und Tiere, insbesondere Vögel, verbindet. Das Vortrags-, Film- und Live-Programm möchte an drei Abenden historische und zeitgenössische (Protest-)Chöre, „Singspiele“ und Bild-Tonexperimente im mumok kino zur Aufführung bringen. Neben Fragen zu performativen Ästhetiken und dem historischen Rückbezug auf Oralität, der Spannung zwischen „liveness“ und technischer Aufzeichnung sowie den Akten des Verlautens und Hörens zeigen sich hier signifikante Versuchsanordnungen einer sozialen künstlerischen Praxis, die vor allem davon handelt, dass jemand „die Stimme erhebt“. Dies kollektiv oder alleine zu tun ist dabei stets auch ein politischer Akt. Geprägt von unterschiedlichen Klangstrategien von Musiker*innen, Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und auch Maschinen werden Auf- und Ausrufe, Anrufungen, Beschwörungen, Befragungen hörbar, sichtbar und erfahrbar.

 

Lokal wie international existieren unterschiedlichste Experimente mit Chören und (Live-)Performances zwischen Kunst, Musik und Bewegtbild in vielfältigen Überschneidungen, wie beispielsweise in Arbeiten aus dem afroamerikanischen Kontext von Jace Clayton (Omnipresence), in Installationen jüngerer österreichischer Künstlerinnen wie Marlies Pöschl, oder in den Performances des von Constanze Ruhm und Florian Paul Ebner gegründeten queer-feministischen Chors MALA SIRENA. Während man bei politischen Wahlen seine Stimme „abgibt“ oder sich auch enthalten kann, behält man in einem Chor die eigene Stimme, die sich mit anderen Stimmen addiert und so temporär Teil einer multivokalen Kollektivität wird. In chorischen Formaten und ihren vielfältigen Neu-Interpretationen werden somit neue Kollektivitäten und Kooperationen erprobt. Eine feministische und queere künstlerische Praxis, die oft mit Forderungen nach einer anerkennenswerten und inklusiven Sichtbarkeit einherging, wird nun teilweise über kollektive Formate der Hörbarkeit, des lautstarken Protests, aber auch einer neuen Pleasure-Politik des „Ansingens gegen die Macht und Ungerechtigkeiten“ erweitert.

 

 

 

Teil 3 am Mittwoch, 7. Dezember, 19 Uhr
RESONANCE / ALGORITHMS

 

Dieses Programm versammelt Werke, die Themen wie Resonanz und Echo zum Ausgangspunkt nehmen, um die Beziehungen zwischen analogen sowie digitalen, algorithmischen Formen visueller und sonischer Aufzeichnungs- und Darstellungsverfahren in Szene zu setzen. Zuletzt tritt der queer-feministische Chor MALA SIRENA mit einem Medley auf, das sich als Echoraum der gesamten Reihe versteht: Anrufung, Ermächtigung, Beschwörung, Protest, Resonanz, Widerhall und Kollektivität. Des souffles, tout simple comme le vent von Marlies Pöschl ist ein Performance-Film, der eine mögliche Zukunft von care work und verschiedene Intraaktionen mit Objekten, die uns umgeben, imaginiert: Gemeinsam mit dem Chor la Clé des chants interagiert eine Gruppe von Senior*innen stimmlich mit Live-Electronics. Diese Komposition ist das Resultat eines kollaborativen Projekts mit den Perfomer*innen und experimentiert mit den Klängen, Tönen und Geräuschen jener Maschinen, von denen die Senior*innen in ihren täglichen Abläufen umgeben sind. Der Film This Year’s Girl von İpek Hamzaoğlu, Laura Nitsch, and Sophie Thun (produziert vom Hekate Film Collective) erzählt von einem fiktionalen Kollektiv namens images of / off images, das mit einer Auftragsarbeit, nämlich einer filmischen und fotografischen Dokumentation zum Beitrag der Künstlerin Renate Bertlmann im österreichischen Pavillon der Biennale von Venedig 2019 beschäftigt ist. Die Mitglieder dieses Kollektivs, dargestellt von den Filmemacherinnen selbst, werden zu Beobachterinnen ihrer eigenen Beobachtungen. So wird deutlich, wie unscharf die Grenzen zwischen Kunst- und Auftragswerk, Dokument und Fiktion, Arbeit und Freizeit, von kollektiver, kollaborativer und individueller Arbeit verlaufen. Und nicht zuletzt steht der Chor MALA SIRENA vor der Kamera: „Being part of a choir is just another way to work collectively. Where the result becomes so much more than voices adding up, in other words, one voice upon another voice upon another voice. Rather, they rise in a polyphony together that becomes a body larger than their individual parts. The camera – sometimes in the rhythm of the choir’s sound – pans across the room, at times almost beyond recognition, just to stop on one of the faces. The imagery could be read as a metaphor for modes of listening to a choir, where only rarely a singular voice can be distinguished from the multitude. Only plurality is able to create this specific kind of music, and more distinctly, this very specific kind of film.“ (Juliane Saupe).*

 

 

 

Program

 

Marlies Pöschl, Simple whistles, just like wind, 2020, 20 min
İpek Hamzaoğlu, Laura Nitsch, Sophie Thun (Hekate Film Collective), This Year’s Girl, 2020, 52 min
MALA SIRENA, Algorithms, Apps and Echoes, 2022, live performance

 

Vorgestellt von Marietta Kesting und Constanze Ruhm, anschließend Gespräch mit İpek Hamzaoğlu, Laura Nitsch, Marlies Pöschl und Sophie Thun

 

Thousand eyes watch earth from above
covered in the dirt of algorithms
and
Echos’ body dispersed across the planet
in shards and
still singing
though re-trained and synthesized anew
now in a new and spectral shape

 

Let’s just get off the internet
so we can see her for real
perhaps hear her
just for a moment

 

Referenzen: Holly Herndon, Janelle Monae, Meredith Monk, Space Lady, Dusty Springfield, Le Tigre, FKA TWIGS u. a.

 

* hekatefilmcollective.com/projects/this-years-girl/

 

Teil 1 am Mittwoch, 16. November: INVOCATION mit Jayce Clayton

Teil 2 am Mittwoch, 30. November: WORKING / AGENCY

 

 

 

Marietta Kesting ist Medien-und Kunsttheoretikerin, lehrt zurzeit an der Universität Potsdam und ist Teil der Publikationsplattform b_books.

 

Constanze Ruhm ist Künstlerin, Filmemacherin, Autorin und Kuratorin. Sie lehrt seit 2006 an der Akademie der bildenden Künste in Wien als Professorin für Kunst und Medien.

 

İpek Hamzaoğlu ist Künstlerin, Filmemacherin und Kulturarbeiterin. Sie befasst sich in ihren Arbeiten mit Fragen der Repräsentation von kollektiver Melancholie, dem Potential kommunalen Wissens und Gossip. Ihre Arbeiten waren zuletzt bei der Mardin Biennale, in der Kunsthalle Bern, im Pera Museum, Istanbul und im Blickle Kino, Wien zu sehen.

 

Laura Nitsch ist Künstlerin, Filmemacherin und Kamerafrau. Beinflusst von Narrativen zu sozialer Klasse und Queerness, interessiert sie sich für Praktiken des Storytelling, bewegte Bildproduktion und Archive. Ihre Arbeiten waren unter anderem im mumok, Wien, Kunsthalle Bern, NGBK Berlin, Grey Noise Dubai, Kunstraum Niederösterreich, Blickle Kino Belvedere 21 (Wien), sowie online zu sehen. 2020 erhielt sie den Theodor Körner Preis.

 

Marlies Pöschl ist Künstlerin, Filmemacherin, Kuratorin und Lehrende. Ihre Arbeiten wurden zuletzt in Einzelausstellungen im Kunstverein Ludwigshafen (2022) und dem Salzburger Kunstverein (2021) gezeigt. 2021 erhielt sie den Förderpreis der Stadt Wien und ein Atelierstipendium der Akademie Schloss Solitude.

 

Sophie Thun ist Künstlerin und arbeitet vorwiegend mit Techniken analoger Fotografie, deren Räume, Prozesse sowie deren Produktions- und Ausstellungsbedingungen. Ihre Arbeiten wurden im Kim? Contemporary Art Center (Riga), Secession (Wien), Kunstverein Hildesheim, Kunsthalle Bratislava, Camera Austria (Graz) und Museo MACRO, Rome gezeigt. Sie ist an der Kunstuniversität Linz im Bereich Bildhauerei - transmedialer Raum tätig.