SUCHE
Warenkorb
Warenkorb wird geladen
Tickets kaufen

Tickets wählen:

Tag wählen:
  • mumok Ticket
  • Regulär
    0,00 €
  • Ermäßigt – Studierende unter 27 Jahren
    0,00 €
  • Ermäßigt – Senior*innen ab 65 Jahren oder mit Senior*innenausweis
    0,00 €
  • Ermäßigt – Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren
    0,00 €
Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag

10 bis 18 Uhr




mumok insider | 11.9.2024

Art Speed Dates: Dating im Museum
Ein Gespräch mit Carola Korhummel

Art Speed Dates: Dating im Museum

„es tatsächlich erlaubt ist, im Museum Spaß zu haben“

 

Ein Gespräch mit Carola Korhummel, wissenschaftlicher Mitarbeiterin am Labor für empirische Bildwissenschaft der Universität Wien über romantisches Potenzial von Museen, Kunstwerke als Sicherheitsanker und Katzenvideos. 

Interview: Hannah Imhoff

 

 

mumok: Art Speed Dating in der Ausstellung Mapping the 60s – ich meine, richtiges romantisches Speed-Dating mit Kunstwerken aus dem mumok als Gesprächsthema – wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Carola Korhummel: Museen werden meist als Orte des Sammelns, des Bewahrens und des Ausstellens wahrgenommen, aber was wir oft vernachlässigen, ist, dass Museen darüber hinaus auch Orte sozialer Begegnung sind. Die Menschen, die ins Museum kommen, sind nicht nur Besucher*innen, die passiv etwas konsumieren, das für sie kuratiert wurde, sondern sie sind aktive Nutzer*innen, die sich das aus dem Museumsraum mitnehmen, was sie brauchen. Und Museumsbesucher*innen brauchen unterschiedliche Dinge: Es kann ein ruhiger Moment allein am Ende einer stressigen Woche, ein intellektueller Austausch mit einer gleichgesinnten Person, oder gar die Suche nach Inspiration sein. Vielleicht möchten wir aber auch eine Freundschaft aufwärmen oder etwas Besonderes mit dem oder der langjährigen Partner*in unternehmen. Es gibt viele verschiedene Aspekte, die Menschen dazu bewegen, ins Museum zu gehen, abgesehen von der reinen Kunstbetrachtung – und einer davon ist die Annahme, dass das Museum ein durchaus geeigneter Ort für ein Date ist. Das wissen wir aus allgemeinen Umfragen zum Thema Dating, aber auch aus einer spezifischen Umfrage, die unser Forschungsteam aktuell durchgeführt hat. In dieser Umfrage haben wir rund 1.000 Menschen in ganz Wien auf der Straße nach ihren Dating-Gewohnheiten und ihren Museumsvorlieben befragt. Es hat sich dabei herausgestellt, dass die Wiener Museen ein nicht zu unterschätzendes romantisches Potenzial haben. Darüber hinaus wissen wir aber kaum etwas über die Rolle der Kunst im romantischen Rahmen eines Dates. Aus diesem Grund veranstalten wir hier im mumok in der Ausstellung Mapping the 60s die als Veranstaltungsreihe angelegte Studie Art Speed Dates.

 

mumok: Warum ist gerade die Ausstellung Mapping the 60s das richtige Umfeld für die Studie der Art Speed Dates?

Carola Korhummel: Prinzipiell könnten wir selbstverständlich in jeder beliebigen Kunstausstellung eine solche Studie durchführen. Die Ausstellung Mapping the 60s birgt jedoch ein besonders reichhaltiges Gesprächspotenzial, ist gerade die Zeit um 1960 doch geprägt von zahlreichen sozialpolitischen Bewegungen. Ich könnte mir also keinen besseren Ort vorstellen, um ein spannendes, vielleicht sogar kontroverses Gespräch mit einer fremden Person bei einem ersten Date zu führen.

 

mumok: Das Ganze ist eine empirische Studie – was ist die Hypothese, die wir gemeinsam testen werden?

Carola Korhummel: Ein entscheidender Punkt bei empirischen Studien ist, dass man die genaue Hypothese vor der Teilnahme nicht kennen sollte, da dies zu kognitiven Verzerrungen führen würde. Ganz allgemein versuchen wir herauszufinden, auf welche Weise bestimmte Kunstwerke romantische Begegnungen zwischen Menschen beeinflussen können. Es könnte sein, dass die Kunst überhaupt keine Rolle spielt und am Ende nur die Anziehung zählt, die wir für die andere Person empfinden. Wir gehen jedoch davon aus, dass Kunst kein neutrales Instrument ist und dass sie Dating-Erfahrungen durchaus verändern kann.  

 

mumok: Manchmal denken die Leute, dass man viel über Kunst wissen muss, um darüber reden zu können. Beim Speed-Dating ist das Gegenteil der Fall: Im Idealfall sehen die Teilnehmer*innen das Kunstwerk zum ersten Mal gemeinsam. Warum ist das für Sie so wichtig? 

Carola Korhummel: Unsere Vertrautheit mit etwas beeinflusst die Art und Weise, wie wir Dinge wahrnehmen. Der Mere-Exposure-Effekt beschreibt zum Beispiel das Phänomen, dass wir dazu neigen, etwas eher zu mögen, wenn wir es öfters sehen. Interessant ist es für uns auch, die Reaktion auf ein neues Kunstwerk und eine neue Person gleichzeitig zu beobachten. Bei den Art Speed Dates im Museum sollte es nicht darum gehen, ein bereits bekanntes Kunstwerk so gut wie möglich vorab zu studieren, um schließlich eine Wissenshierarchie aufzubauen. Ist es nicht vielmehr der spontane Funke, der zwischen den Speed-Date-Partner*innen überspringen kann, der zu einem besonders reizvollen Erlebnis führt?

 

mumok: Sie haben bereits eine Pilotstudie am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien mit Reproduktionen von Kunstwerken aus der mumok Sammlung durchgeführt – in der Pilotstudie hat es den meisten Teilnehmer*innen sehr gut gefallen, mit einer bisher unbekannten Person ein so tief gehendes Kunstgespräch zu führen. Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere daran, mit jemandem, den man nicht kennt, über Kunst zu sprechen – sich über die Kunst kennenzulernen?

Carola Korhummel: Kunstwerke haben die große Kraft, spielerische Emotionen in uns auszulösen, die sich von unseren Alltagsgefühlen unterscheiden. Wie wir bereits in unserer Pilotstudie festgestellt haben, hilft dies den Menschen in tiefere Gespräche einzutauchen, anstatt immer wieder denselben Smalltalk zu wiederholen. Die Begegnung beginnt so auf einer anderen, vielleicht intensiveren Ebene. Die Anwesenheit von Kunstwerken dient auch als eine Art Sicherheitsanker, um ein entspanntes Gespräch zu führen, denn man hat immer etwas, worüber man reden kann, auch wenn man schüchtern oder sehr unterschiedlich ist.

 

mumok: Wenn jemand nicht weiß, worüber man reden soll, habt Ihr auch Eisbrecherfragen zur Inspiration parat. Können Sie ein Beispiel für eine solche Frage nennen?

Carola Korhummel: Unsere Eisbrecherfragen unterstützen einen niedrigschwelligen Zugang zur Kunst, ohne dass Vorkenntnisse erforderlich sind. Zum Beispiel: „Was glauben Sie, wie viel ist dieses Kunstwerk wert?“ Oder etwas persönlicher: „Würden Sie das gerne an Ihre Wand hängen?“

 

mumok: Sie haben bereits eine Pilotstudie mit Kunstwerken aus der mumok Sammlung durchgeführt – welches Werk war der „most successful dater“?

Carola Korhummel: Der „most successful dater“ unter unserer Auswahl an Kunstwerken war relativ direkt: Eine Schwarz-Weiß-Fotografie von Marina Abramović & Ulay aus dem Jahr 1977 mit dem Titel Breathing in – Breathing out. Es handelt sich um eine Nahaufnahme von zwei Menschen, die ihre Münder aufeinanderlegen, als ob sie sich küssen würden. Die meisten Matches – das bedeutet, beide Speed-Date-Partner*innen möchten sich wiedersehen – fanden statt, als sie dieses Kunstwerk gemeinsam betrachteten. Abgesehen davon war es interessant festzustellen, dass die Menschen sehr unterschiedliche und manchmal starke emotionale Reaktionen auf die Stimuli zeigten. Unter den ausgewählten Kunstwerken befand sich zum Beispiel ein Bronzeguss von Henri Laurens aus dem Jahr 1935 mit dem Titel La mère (die Mutter), womit die meisten Personen keine starken Assoziationen hatten. Eine Person allerdings empfand es für ein erstes Date als sehr unangenehm, über die eigene Mutter zu sprechen.

 

mumok: In Museen haben wir oft so etwas wie ein festes Skript, wie wir uns vor einem Kunstwerk verhalten sollen: anschauen, beachten, leise reden, oft nicht anfassen ... Das Art Speed Dating bricht mit dieser Vorstellung, und die Kunst wird zu einem Anlass für Begegnungen und zu einem Gesprächsthema für eine erste romantische Begegnung. Sind Sie auch daran interessiert, neue Wege des Museumsbesuchs und der Kunstbetrachtung zu entdecken?

Carola Korhummel: Ich bin mir nicht sicher, ob das eine so neue Art ist, Kunst zu betrachten. Wenn wir in ein Museum gehen, haben wir ja gewissermaßen immer „Dates“ mit Kunstwerken. Das mumok hat das schon in einer Ausstellung und dem dazugehörigen Katalog von 2018 mit dem Titel 55 Dates bemerkt, wo man 55 ausgewählten Kunstwerken aus der Sammlung des Museums begegnen konnte. Dennoch ist es leider eine weit verbreitete Vorstellung, dass ein Museum ein Raum voller Gesetze ist, die es zu befolgen gilt, und dass es eine perfekte und akzeptable Art und Weise gibt, diesen zu besuchen. Ich hoffe, dass unsere Art Speed Dates zeigen können, dass Ausstellungen nicht nur ernste und stille Orte sind, sondern dass es tatsächlich erlaubt ist, im Museum Spaß zu haben.

 

mumok: Sie interessieren sich generell dafür, inwieweit Kunstwerke Emotionen auslösen können, was reizt Sie an diesem Forschungsfeld?

Carola Korhummel: Wir hören ein bestimmtes Lied, wenn wir traurig sind, wir schauen uns Katzenvideos oder Doge-Memes an, um uns temporär glücklich zu fühlen. Spotify schlägt uns Musikgenres vor, die zu unserer Stimmung passen, aber es gibt keine kuratierte Playlist für Kunstwerke. Warum eigentlich nicht? Es gibt Studien, die den heilenden Aspekt des Kunstkonsums aufzeigen, aber sie sind nicht allzu spezifisch, wenn es um eine kunsthistorische Einordnung der Stimuli geht. Mein Promotionsprojekt versucht, diese Forschungslücke zu schließen, indem es Kunstmuseen des 21. Jahrhunderts als Emoditäten betrachtet, die sowohl emotionale als auch kommerzielle Räume bezeichnen. Das Portmanteau-Wort[1] Emodität wurde 2018 von der Soziologin Eva Illouz eingeführt, um den wachsenden Markt für Stimmungsmanagement zu untersuchen. Illouz und ihr Team haben bereits verschiedene Bereiche wie Filme, Musik oder Alltagsprodukte untersucht, die bildende Kunst jedoch muss in diesem Zusammenhang noch weiter beforscht werden. Es gibt also noch so viel mehr zu entdecken in diesem spannenden Forschungsfeld!

 

 


[1] Ein Portmanteau-Wort entsteht, wenn Teile von zwei oder mehr Wörtern kombiniert werden, um ein neues Wort zu schaffen, das die Bedeutungen der ursprünglichen Wörter vereint. Der Begriff "Portmanteau" stammt ursprünglich aus dem Französischen und bezeichnete einen Koffer mit zwei Fächern, was sinnbildlich für das Zusammenführen zweier Wörter steht.

Slider Previous Slider Next
Menschen in der Ausstellung Mapping the 60s
1/4

Ausstellungsansicht: Mapping the 60s
Photo: Niko Havranek © mumok

2/4

Foto: Karl Pani, Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien

3/4

Foto: Karl Pani, Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien

4/4

Foto: Karl Pani, Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien