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mumok collects | 25.4.2022
enjoy picks: Konrad Klapheck
Konrad Klapheck
Triumph der Zerstörung, 1970
Öl auf Leinwand
262 × 422 cm
Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 1981
Konrad Klaphecks Maschinenbilder sind außergewöhnlich, nicht nur in der deutschen Kunst der Nachkriegszeit. 1955 malt er eine Schreibmaschine und begründet damit eine Werkserie, die zur Brücke zwischen den Zeiten, Ideen und Themen der Moderne wird. Ein Blick zurück: Die Maschine als Inbegriff des industriellen Zeitalters taucht bereits ab 1915 bei Francis Picabia auf – abstrahierte Formen ohne nachvollziehbaren Nutzen, freischwebend im Bildraum. Dada und sein Umfeld reagiert mit der Maschine auf die zunehmende Technisierung des Alltags genauso wie auf die Erfahrung der Materialschlachten des Ersten Weltkriegs und ist sich der Maschine als Prothese und Stellvertreterobjekt bewusst. Über Picabias Maschinenbilder etwa schreibt ein Kritiker: „Wir leben im Zeitalter der Maschine. Der Mensch schuf die Maschine nach seinem Bilde. Sie hat Gliedmassen, die agieren, eine Lunge, die atmet, ein Herz, das schlägt, ein Nervensystem, durch das Elektrizität strömt …“ (1). Idealer Körper und ideale Maschine durchdringen einander: „Nachdem er die Maschine nach seinem eigenen Bild geschaffen hatte", so Haviland, machte der Künstler „sein menschliches Ideal maschinomorph“. (2)
Picabias Bilder heißen Marie, Flamenca oder Américaine. Durchzogen von Ironie zitieren sie die Maschine als Sinnbild der Moderne und machen sich gleichzeitig darüber lustig. Picabias Mittel ist die Parodie, das Arbeiten mit Zitaten und Appropriationen anderer Disziplinen verschafft ihm Distanz zur Vorstellung vom genialischen Künstlersubjekt, eine Distanz, die der Surrealismus wenige Jahre später nicht mehr sucht. Nun werden in der Maschine verborgene Mythologien entdeckt, und sie wird zur Projektionsfläche unbewusster Triebe und zum Fetisch. Dada und Surrealismus, humorvolle Distanz und Überhöhung kommen gleichermaßen in Erinnerung, wenn Konrad Klapheck 1957 beschreibt, wie er eine Nähmaschine malt: „Während ich im kläglich möblierten Zimmer in Versailles die Nähmaschine meiner Wirtin malte, dämmerte mir, dass dies mehr wurde als das Abbild eines bescheidenen Gegenstands der Haushaltstechnik. In den geschwungenen Linien des Nähmaschinenleibes, im schimmernden Kopf mit Fadenführer, Fuß und Nadel erkannte ich Lilo wieder, von der ich mich kurz zuvor im Streit getrennt hatte.“ Klapheck nennt das Bild Die gekränkte Braut und beschließt „ein ganzes System aus den Maschinenthemen aufzubauen und meine Biografie durch sie zu erzählen.“ (3)
Die Retourkutsche kommt umgehend. 1959 schreibt die einflussreiche Kunstkritikerin Hannelore Schubert über seine erste Ausstellung bei Alfred Schmela in Düsseldorf: „alles ganz charmant und amüsant, aber letztlich anachronistisch, wir leben nicht mehr in den Dada-Zeiten der 20er-Jahre“. (4) In der Nachkriegszeit nimmt die informelle Malerei eine Vorreiterrolle ein, mit ihr kehrt auch das heroische Künstlersubjekt zurück, der individuelle Gestus des Pinselstrichs wird in den Mittelpunkt gestellt. Klapheck ist nicht nur in Deutschland gut vernetzt, sondern orientiert sich auch nach Paris, lernt Max Ernst kennen und findet Anschluss an den Kreis der Surrealisten, die sich immer noch um André Breton scharen. Der große Theoretiker des Surrealismus schreibt sogar einen Text für die Ausstellung des jungen Malers in der Galerie von Ileana Sonnabend in Paris, seinen letzten überhaupt. Breton erklärt darin die Maschine zur erotischen Verführerin schlechthin: „Unmaskiert oder nicht, solange die Welt Appetit auf technischen Fortschritt hat, können wir nicht erwarten, dass die Maschine ihre Rolle als Vamp aufgibt …“ (Démasquée ou non, tant que c'est l'appétit de progrès technique qui même le monde, on ne saurait attendre de la machine qu'elle renonce à son rôle de vamp ...) (5). Die erotische Anziehungskraft der „feminisierten“ Maschine stürzt (die Männer?) ins Verderben. Im Surrealismus wird immer wieder das Bild einer zerstörerischen Weiblichkeit konstruiert, in der Anmut, Eleganz und Liebreiz genauso präsent sind wie Niedertracht und Gefahr. Für Breton liegen Faszination und Anziehung in Klaphecks Maschinen offenbar in jener psychologischen Spannung, im Nebeneinander von schön und böse.
Erst jetzt zum Bild: Die Planierraupe ist 1970 gemalt. Im riesigen Format von 262 × 422 cm reicht die Darstellung zwar nicht an die Originalgröße heran, vermittelt aber deren Monumentalität. Das Fahrzeug ist von der Seite ohne perspektivische Verkürzungen dargestellt, als eine Komposition zum Teil komplett abstrakter Flächen ohne Tiefe, glatt und ohne Makel, in metallisch anmutenden Farben Grau/Silber und Gelb/Gold. Ohne Tiefenraum schwebt das schwere Gerät geradezu im Bild und erinnert darin ein wenig an die schematische Wiedergabe einer Gebrauchsanweisung. Der Titel Der Triumph der Zerstörung macht aus dem Gerät das Werkzeug eines zweifelhaften Sieges, überhöht die einfache Planierraupe zur Akteurin einer Vernichtung um der Vernichtung willen. Assoziationen von Raserei, Verwüstung, der Irrationalität der Destruktion verkettet Klapheck mit einem Gerät der Ziviltechnik. Vom Furor des Wahnsinns ist hier allerdings nichts zu sehen. Es ist vielmehr ein Stillleben: Klaphecks Maschinen wahren Distanz, werden nicht zu Akteur*innen oder wirklich benutzbaren Dingen des Alltags. Das Bild entsteht 1970, 15 Jahre nach dem ersten Maschinenbild. Die gewaltigen Dimensionen rufen massiv und bedrohlich die Ereignisse und Umwälzungen in Erinnerung, die die Maschine im 20. Jahrhundert begleitet und verantwortet hat: Industrialisierung, Fortschrittsglauben, Kriegserfahrung, Wiederaufbau, Aufrüstung, Wohlstand, Prosperität und damit verbunden jene ungeheure Materialschlacht, die das Jahrhundert des Kapitalismus hervorgebracht hat. Klaphecks Maschinenbilder haben ihren Platz in der Nachkriegszeit, als nicht nur im Kalten Krieg hochgerüstet wird, sondern auch mit einer bis dahin nicht gekannten Produktion an Haushaltsgütern, Maschinen, die den privaten Alltag zunehmend besetzen. In der Wohlstandsgesellschaft ist das Ding Selbstzweck und Objekt der Begierde: Konsum und Fetisch zugleich, auch zum Ende des Jahrhunderts hin immer noch verführerisch, glänzend und schön. Vielleicht ist es dieser etwas beunruhigende Kontext des 20. Jahrhunderts, in dem Klaphecks Maschinen zu Hause sind.
Es ist bemerkenswert, dass der Künstler die Serie 1997, nach über 40 Jahren, beendet. In den 1990er-Jahren dringt der Computer in die privaten Haushalte vor. 1971 baute Intel den ersten Mikroprozessor. Die Maschinen, die unser Leben bestimmen werden kleiner. Das digitale Zeitalter verändert unser Verhältnis zum Dinglichen, die Objekte in unserem Umfeld ändern ihre Form, Realität wird zunehmend über digitale (Bild-)Medien vermittelt und ausgerechnet jetzt wendet sich Klapheck – nicht ohne Ironie – der Darstellung des Menschen zu.
Jörg Wolfert
Die Arbeit war in der von Manuela Ammer kuratierten Ausstellung (Anti-)Pop im Rahmen von Enjoy – Die mumok Sammlung im Wandel zu sehen.
(1) Paul Haviland, „We Are Living in the Age of the Machine“, in: 291, 7/8 (September/Oktober 1915), zitiert in: Catherine Hug, Anne Umland, Francis Picabia. Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann, Ausstellungskatalog Kunsthaus Zürich, The Museum of Modern Art, New York 2016, S. 68.
(2) Ebenda, S. 69.
(3) Ferdinand Ulrich, Hans-Jürgen Schwalm (Hg.), Menschen und Maschinen. Bilder von Konrad Klapheck, Kerber Verlag, Berlin 2006, S. 85.
(4) https://cafedeutschland.staedelmuseum.de/gespraeche/konrad-klapheck
(5) www.andrebreton.fr/en/work/56600100232510