Dienstag bis Sonntag
10 bis 18 Uhr
25.4.2018
Casting a Shadow (1)
Die aus der Produktionslogik von Theater und Film hervorgehende Praxis des „Castings“ spitzt das Verhältnis von Regie und Schauspiel, von Interpretation und Repräsentation in Bezug auf Fragen nach Macht und Selbstermächtigung, Dominanz und Unterwerfung häufig auch unter sexualisierten Aspekten zu. Im Rahmen des sog. „ludic capitalism“ (Alexander R. Galloway) ist das Casting als Show-Format schon seit längerem nicht bloß ins Privatfernsehen migriert, sondern spielt auch für die Arbeitswelt und die sogenannten sozialen Medien eine entscheidende Rolle. Wie das populäre Genre der Castingshow beispielhaft zeigt, geht es dabei einerseits um einen Wettbewerb der (performativen) „Skills“ und „Talente“, andererseits um einen öffentlichen Akt der (Selbst-)Bewertung und der Auswahl. Mit Blick auf hierfür relevante Diskurse im Bereich der Spieltheorie, des Behaviorismus und der Kybernetik sollen exemplarische künstlerische und kinematische Arbeiten hinsichtlich der konzeptiven und reflexiven Implikationen des Castings als eines Subgenres der Probe erörtert werden. Verstanden als ein Anschauungsbeispiel für kollektive (Um-)Deutungen normativer Rollenmuster und Leistungsanforderungen, erscheint es zugleich als ein Barometer für das sich verändernde Verhältnis von Realität und Fiktion.
Clemens von Wedemeyer
Actors of Profane History
Der erste Abend der Reihe Casting a Shadow widmet sich den vergessenen Geschichten von Statist_innen im Kino. Das Programm verweist dabei auf die Sehnsüchte der Vorsprechenden, wie sie bei einem Casting stets mitschwingen. Das englische Wort „Casting“ bezeichnet in der Bildhauerei auch die formgebende Technik des Gussverfahrens. Entsprechend kann man sich die Auswahl und Zusammenstellung von Darsteller_innen in einen Film als einen plastischen Prozess vorstellen. Hierauf spielt The Beginning, Living Figures Dying an, wenn ein Streit zwischen Darsteller_in und Figur anhand einer Vielzahl virtuos aneinandergefügter Filmausschnitte zeigt wird. Während der Dreharbeiten zum Film Ben Hur (1959) versuchten tausende nicht engagierte Statist_innen, die Tore zum Filmstudio Cinecittà in Rom zu stürmen, um dort an Arbeit zu gelangen. In The Cast (Procession) werden diese Aufstände mit Darsteller_innen des 2013 besetzten Theaters Teatro Valle in Rom wieder aufgeführt. Actors of Profane History, eine Gemeinschaftsarbeit von Elena Vogman und Clemens von Wedemeyer, macht sich auf die Suche nach denjenigen Typen von Gesichtern, die Sergej Eisenstein für seinen heute verschollenen Film Bežin lug (Die Bežin-Wiese; 1935-1937) vorschwebten. In der Montage werden die Castingkarten aus dem Moskauer Filmarchiv analysiert. Marinella Senatores Nui Simu vermischt eine fiktive Spielhandlung mit der Suche nach echten Minenarbeitern in Sizilien, doch letztlich wurden das gesamte Filmteam sowie die Darsteller_innen während eines Workshops vor Ort gecastet. Pool von Stefan Panhans beendet dieses Programm mit einem einzigen Imperativ: Du musst nur du selbst sein!
Clemens von Wedemeyer, The Beginning, Living Figures Dying, 2013, 18 min
Clemens von Wedemeyer, The Cast (Procession), 2013, 15 min
Elena Vogman, Clemens von Wedemeyer, Actors of Profane History, 2017, 23 min
Marinella Senatore, Nui Simu, 2010, 16 min
Stefan Panhans, Pool, 2004, 7 min
Vorgestellt von Clemens von Wedemeyer sowie Sabeth Buchmann und Constanze Ruhm
Sabeth Buchmann lebt in Berlin und Wien. Die Kunsthistorikerin und Kritikerin ist Professorin für moderne und postmoderne Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien.
Constanze Ruhm lebt in Berlin und Wien. Sie ist Filmemacherin, Künstlerin und Professorin für Kunst und digitale Medien an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Clemens von Wedemeyer lebt in Berlin. Er ist Filmemacher, Künstler und Professor für Expanded Cinema an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.