Dienstag bis Sonntag
10 bis 18 Uhr
16.5.2018
Casting a Shadow (2)
Die aus der Produktionslogik von Theater und Film hervorgehende Praxis des „Castings“ spitzt das Verhältnis von Regie und Schauspiel, von Interpretation und Repräsentation in Bezug auf Fragen nach Macht und Selbstermächtigung, Dominanz und Unterwerfung häufig auch unter sexualisierten Aspekten zu. Im Rahmen des sog. „ludic capitalism“ (Alexander R. Galloway) ist das Casting als Show-Format schon seit längerem nicht bloß ins Privatfernsehen migriert, sondern spielt auch für die Arbeitswelt und die sogenannten sozialen Medien eine entscheidende Rolle. Wie das populäre Genre der Castingshow beispielhaft zeigt, geht es dabei einerseits um einen Wettbewerb der (performativen) „Skills“ und „Talente“, andererseits um einen öffentlichen Akt der (Selbst-)Bewertung und der Auswahl. Mit Blick auf hierfür relevante Diskurse im Bereich der Spieltheorie, des Behaviorismus und der Kybernetik sollen exemplarische künstlerische und kinematische Arbeiten hinsichtlich der konzeptiven und reflexiven Implikationen des Castings als eines Subgenres der Probe erörtert werden. Verstanden als ein Anschauungsbeispiel für kollektive (Um-)Deutungen normativer Rollenmuster und Leistungsanforderungen, erscheint es zugleich als ein Barometer für das sich verändernde Verhältnis von Realität und Fiktion.
Prozesse, Prozessionen, Projektionen
Im zweiten Teil der Programmreihe werden Filme von Abbas Kiarostami, Marlies Pöschl und Jean-Luc Godard gezeigt: In No von Abbas Kiarostami wird die vierjährige Rebecca für einen Film gecastet, der die Geschichte zweier kleiner Mädchen erzählt. Um die Rolle zu ergattern, muss sie sich jedoch von ihren schönen langen Haaren trennen. Wird Rebecca dieses Opfer bringen, um ein Star zu werden? Sternheim von Marlies Pöschl ist ein semi-dokumentarischer Film, der den Bildungsroman Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim von Sophie von La Roche aus dem Jahr 1771 im Format der Castingshow reflektiert: Zwölf Teenager nehmen an einem Theaterworkshop teil; zugleich werden sie für einen Film gecastet. Jean-Luc Godards Grandeur et décadence d'un petit commerce de cinéma handelt von dem erfolglosen Produzenten Jean Almereyda, der gemeinsam mit dem Regisseur Gaspard Bazin eine neue Produktion vorbereitet. Die zum Casting bestellten Darsteller_innen müssen dabei Texte von Faulkner zitieren: „L’essentiel, ce ne sont pas nos sentiments ou nos expériences vécus. Mais la ténacité silencieuse avec quoi nous les affrontons.“
Abbas Kiarostami, No, 2010, 8 min
Marlies Pöschl, Sternheim, 2011, 35 min
Jean-Luc Godard, Grandeur et décadence d'un petit commerce de cinéma, 1986, 92 min
Vorgestellt von Sabeth Buchmann und Constanze Ruhm, anschließend Gespräch mit Marlies Pöschl
Sabeth Buchmann lebt in Berlin und Wien. Die Kunsthistorikerin und Kritikerin ist Professorin für moderne und postmoderne Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien.
Marlies Pöschl lebt derzeit in Paris und Wien. Ausstellungen/Festivals (Auswahl): Pepper Perceval, CAC Brétigny, Brétigny sur Orge/Paris (2018); International Competition, Cinéma vérité, Iran International Documentary Film Festival, Teheran (2017); Innovatives Kino, Diagonale – Festival des österreichischen Films, Graz (2017).
Constanze Ruhm lebt in Berlin und Wien. Sie ist Filmemacherin, Künstlerin und Professorin für Kunst und digitale Medien an der Akademie der bildenden Künste in Wien.