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12.10.2022
Network Explosion. Wege aus einer unmanövrierbaren Gegenwart | Teil 1
Netzwerke haben uns fest im Griff. So sehr, dass wir ihre Wirkmacht bisweilen aus den Augen verlieren. Dabei lassen sich die allgegenwärtigen Netze in unserer aller Leben längst nicht mehr isoliert voneinander betrachten – so wir überhaupt in der Lage sind, sie einigermaßen objektiv zu überblicken. Im Gegenteil: An eines davon angeschlossen zu sein, heißt zugleich (oft unwissentlich), auch in vielen anderen zu stecken. Netzwerke, von technologischen und medialen über soziale und politische bis hin zu kulturellen bzw. künstlerischen, bilden „Assemblagen“: Gefüge von teils überlagerten und untereinander verlinkten, teils aber auch entkoppelten, nur schwer einzugrenzenden oder zu manövrierenden Verbundsystemen. Dieser komplexen Konfigurationen irgendwie habhaft zu werden oder sie einer kritischen Betrachtung im Hinblick auf ihre Veränderbarkeit unterziehen zu wollen, übersteigt so gut wie jedes subjektive Fassungsvermögen. „Network Explosion“ also. Soll heißen: Nicht nur drohen uns die großteils von digitalen Infrastrukturen zusammengehaltenen Gefüge über den Kopf zu wachsen (bzw. haben sie dies längst getan). Vielmehr gilt es, ihren Verbund analytisch zu brechen – Fluchtlinien darin freizulegen, ja ihr reibungsloses Funktionieren mit- und untereinander zumindest ideell in Frage zu stellen.
Die hier zusammengetragenen Filme aus den letzten fünf Jahren tun dies, indem sie spezifische Netzwerkknoten bzw. Teilnetze ins Auge fassen. Der erste Programmblock nimmt die digitale Transformation des Sozialen zum Ausgangspunkt, um nach Potenzialen des Widerständischen und Antihegemonialen darin zu fragen. Als „Techno-Poetry“ in all ihrer Bandbreite und Renitenz könnte man die hier versammelten Werke von Filipa César, TJ Cuthand, Clemens von Wedemeyer und der Lo-Def Film Factory bezeichnen: eine aus der neuformatierten sozialen Vorstellungskraft heraus entwickelte (Ver-) Dichtung von Auswegszenarien. Teil zwei nimmt Waren- und Ideenströme und deren oft katastrophische Auswirkungen ins Visier. Die darin nachgezeichneten Wege bzw. Cargo-Routen des globalen Konsums bilden Fragmente eines kolossalen Netzes ab, dessen ökologische wie ökonomische Effekte schon lange außer Rand und Band geraten sind. Neue Seidenstraße oder georgische Smart-City-Unternehmungen sind hier ebenso Thema wie Gegenvisionen eines neuen (netzwerkbefreiten) Edens. Zusammen zeigen die Arbeiten Schrammen und Kerben in den uns fest einhüllenden Netzen auf – Bruchlinien, die das Netzwerk, wenn schon nicht aufsprengen, so doch in seiner Fragilität erkennen lassen.
Mittwoch, 12. Oktober 2022, 19 Uhr
Clemens von Wedemeyer, Transformation Scenario, 2018, 20 min
Filipa César, Quantum Creole, 2020, 40 min
Lo-Def Film Factory, The Subterranean Imprint Archive, 2021, 12 min
TJ Cuthand, Reclamation, 2019, 14 min
Vorgestellt von Christian Höller
Christian Höller ist Redakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift springerin – Hefte für Gegenwartskunst.
Das Programm zum zweiten Teil am 19. Oktober finden Sie hier.