Dienstag bis Sonntag
10 bis 18 Uhr
12.6.2019
Oliver Husain, Kerstin Schroedinger
Die Geschichte der chemischen Substanz DNCB ist der Ausgangspunkt für unser Projekt. DNCB wurde in Film- und Fotolabors als Bestandteil der Farbverarbeitung eingesetzt. Es konnte noch in den 1990er-Jahren leicht über Kodak in den USA bestellt werden. Im Jahr 1986, während der sogenannten AIDS-Krise, entdeckten Ärzt_innen und Patient_innen in San Francisco durch Selbstversuche, dass DNCB auf der Haut eine positive Wirkung auf das Immunsystem hatte und eine Behandlungsmethode für Kaposi-Sarkom darstellte. Sie engagierten sich für die medizinische Erforschung der Substanz und gründeten die ersten unabhängigen Guerilla-AIDS-Kliniken. Wir – Kerstin Schroedinger und Oliver Husain – waren fasziniert von der Überschneidung von Film und Medizin in dieser spezifischen Konstellation. Aus einer heutigen Perspektive wirkt es berührend und stark, dass in einem Moment, in dem der technologische Fortschritt die chemische Entwicklung analoger Filme quasi obsolet machte, einer der Bestandteile dieses Verfahrens einen anderen, nicht-filmischen Gebrauchswert erhielt. Darüber hinaus bekommen die radikal unabhängigen Aktionen von AIDS-Aktivist_innen und -Künstler_innen der späten 80er- und frühen 90er-Jahre sowie deren Haltung im heutigen reaktionären politischen Klima eine neue Relevanz. Aus unserer Recherche haben wir eine experimentelle installative künstlerische Arbeit entwickelt, die Materialexperimente, historische Forschung und Performance miteinander verflicht und Verbindungen zwischen Selbstmedikation und unabhängigen Filmentwicklungslaboren zieht.
Oliver Husain, Kerstin Schroedinger, DNCB, 2019, 60 min
Performance, Lecture, 16mm-Film, Video- und Tonaufnahmen
Vorgestellt von Moira Hille, anschließend Gespräch mit Oliver Husain und Kerstin Schroedinger (auf Englisch)
Oliver Husain lebt in Toronto, er ist Filmemacher und Künstler mit einem besonderen Interesse für theatralische und filmische Konzepte von Zuschauer_innenschaft und Inszenierung. Husains Videoinstallation Isla Santa Maria 3D wurde 2017 im Forum Expanded der Berlinale und im Kunstverein Nürnberg gezeigt. 2018 wurden seine Arbeiten in Einzelausstellungen im Remai Modern, Saskatoon, in der Galerie Susan Hobbs, Toronto, der Republic Gallery, Vancouver, sowie der Galerie Clages, Köln, präsentiert.
Kerstin Schroedinger arbeitet in den Bereichen Film/Video, Sound und Performance. Ihre historiografische Praxis befragt die Mittel der Bildproduktion, historische Kontinuitäten und ideologische Darstellungen der Repräsentation. Zu ihren jüngsten Arbeiten gehören Bläue (Video) und Der angebliche Körper (Performance), aufgeführt 2017 beim Images Festival, Toronto, und bei Les Complices*, Zürich. Ausstellungen/Screenings (Auswahl): Anthology Film Archives, New York, Berlinale Forum Expanded, Kunstpavillon Innsbruck, MIT List Visual Arts Center, Boston, PhotoCairo #6, Toronto International Film Festival, Whitney Museum of American Art.
Moira Hille ist Künstlerin und lehrt an der Akademie der bildenden Künste Wien am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften.