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10.4.2019

Third from the Sun. Ansichten und Aussichten des Anthropozäns

Third from the Sun. Ansichten und Aussichten des Anthropozäns

 

Hausgemachte Katastrophe oder kosmischer Witz? Dem Planeten geht es gar nicht gut, und das zeigt sich jeden Tag deutlicher. Bilder von Müllbergen, Plastik im Meer und neuerdings den dramatischen Auswirkungen der Erderwärmung lassen nichts Gutes für eine zusehends schwindende Zukunft erahnen. Zu Beginn der 2000er-Jahre hat der niederländische Chemiker Paul Crutzen für die unabweislichen Spuren, die der Mensch auf der Erde und in der Atmosphäre hinterlässt, den Begriff „Anthropozän“ geprägt. Seither widmen sich auch Künstler_innen und Filmemacher_innen verstärkt dieser immer drastischeren Gemengelage, deren tiefere Gründe oft vertrackter sind als die vielen augenscheinlichen Öko-Desaster dies vermuten lassen.

 

In vier Teilen geht das Programm Third from the Sun künstlerischen Ansätzen nach, die Symptome, Ausprägungen und Auswirkungen des Anthropozäns konkret sichtbar machen. Im Mittelpunkt stehen dabei weniger mahnende oder vor den Kopf stoßende Katastrophenbilder als vielmehr Formen der Verwicklung in größtenteils unumkehrbare Prozesse. Teil eins (Dark Star – Nach der Katastrophe) bringt Einschreibungen des Menschen in die Umwelt, auch anhand von visionären Gegenbildern, zur Anschauung. Der zweite Teil (Earthbound – Widrige Naturen) untersucht Eigensinn und Widerständigkeit auf Seiten des „Natürlichen“, wobei die Position des immer noch herrschaftlichen Menschensubjekts nicht ausgespart bleibt. Teil drei (Electric Warriors – Letzte Menschen) geht näher auf die Aussichten, Absichten und Antizipationen dieses Subjekts ein, das – unter sich zuspitzenden Bedingungen – immer mehr ins Abseits zu geraten droht, dies aber auch als Chance begreifen könnte. Im vierten Teil schließlich (Stone Free – Die Zeit, die bleibt) soll die Latenz bzw. Potenzialität dessen erwogen werden, was noch nicht Wirklichkeit geworden ist, aber Funken der Veränderung in Bezug auf unser herkömmliches Natur- und Umweltverständnis in sich trägt. Planet Earth is blue, and there’s nothing we can do?

 

Kuratiert von Christian Höller

 

 


Teil 4: Stone Free – Die Zeit, die bleibt

 

Bleibt noch Zeit zu handeln, oder sind die Handlungsspielräume schon hinlänglich ausgereizt? Kann irgendwo, so vergeblich dies inzwischen klingen mag, „nachhaltig“ interveniert oder interferiert werden? Und gibt es für das ökologische Subjekt sinnvollerweise etwas zu reklamieren, das den Wärmetod hinausschieben könnte? Ana Vaz und Tristan Bera entwerfen ein zeitgemäßes Bild solchen Interferierens und Reklamierens – nicht zuletzt indem sie den Film-Sampling-Pool der Vergangenheit auf die Umrisse einer unmöglich gewordenen Zukunft projizieren. Siniša Radulović befragt in Indivisible and Inseparable mittels mehrschichtiger Überlagerungsverfahren, wie sinnfällig Ideen von Fortschritt, „Übergang“ und der Entwicklung hin zum Besseren heute noch erscheinen können. Trotz allem ein Recht auf Einmischung einzuklagen – dies wird im Musikclip von Metahaven für Holly Herndon emblematisch vorgeführt, auch wenn die Zukunft bloß wie eine zerrissene Fahne erscheint. Zurück in die (untergegangene) Natur führen Ursula Biemann und Michaela Grill: Biemanns Subatlantic widmet sich in artistischer Sci-Fi-Manier den unheilvollen Veränderungen, welche die Erderwärmung im Nordatlantik auslöst; und Michaela Grill rekapituliert in Antarctic Traces die desaströse Geschichte des Walfangs im Südatlantik – mit Ausblick auf eine dräuende posthumane Leere, die in dieser Historie mit angelegt ist. Sichtbar werden Spuren einer paradoxen Freiheit, die abgrundtief im Nichts wurzelt.

 

 

Programm

 

Ana Vaz, Tristan Bera, A Film, Reclaimed, 2015, 20 min
Siniša Radulović, Indivisible and Inseparable, 2017, 8 min
Holly Herndon / Metahaven, Interference, 2015, 5 min
Ursula Biemann, Subatlantic, 2015, 12 min
Michaela Grill, Antarctic Traces, 2019, 30 min

 

Vorgestellt von Christian Höller, anschließend Gespräch mit Michaela Grill

 

Christian Höller ist Redakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift springerin – Hefte für Gegenwartskunst.

 

Michaela Grill lebt in Montréal und Wien. Ausstellungen/Screenings (Auswahl): Mein Rastloses Herz, zusammen mit Andreas Berger, Kunsthaus Graz (2014); BAFICI Buenos Aires Festival International del Cinema Independiente (2014); Rock'n'Roll Will Never Die (zusammen mit Billy Roisz), Österreichisches Filmmuseum, Wien (2013); Place Becomes Time, Space Becomes Mine, zusammen mit Christof Kurzmann, O.K Centrum für Gegenwartskunst, Linz (2004).