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Der lateinische Titel der Plastik „Ecce Puer“ bedeutet übersetzt „Siehe, der Knabe“. Der Künstler Medardo Rosso gibt seinem Bronzeguss diesen Namen, da es die Porträtbüste eines sechsjährigen Jungen ist. Es handelt sich dabei um Alfred William Mond, den Sohn eines Industriellen. Eine Anekdote zur Entstehung des Werkes besagt, dass der Künstler im Arbeitsprozess ins Stocken geriet, bis sich der Knabe versteckte und zwischen großen Vorhängen hervorlugte. Dieser kurze Moment inspirierte Rosso schließlich zu seiner besonderen Darstellung. Die Anekdote trägt im Kern ein wesentliches künstlerisches Prinzip Rossos in sich: das Verschmelzen der Figur mit ihrer Umgebung, in diesem Fall von Gesicht und Vorhang. Rosso arbeitet bei seiner Formfindung mit Wachs, sodass seine Bronzen immer etwas Fließendes und Ungefähres behalten. Seine Zeitgenossen und Zeitgenossinnen werten seine Skulpturen daher meist als bloße Vorstufen oder Skizzen, als sogenannte „bozzetti“ Dabei geht es dem Künstler nicht um die anatomisch korrekte Darstellung oder eine Kopie der individuellen Gesichtszüge, sondern um den Moment, in dem sich der Kopf aus der umgebenden Bronze wie aus einem Schleier herauslöst. „Wenn ich ein Porträt mache, dann kann ich es nicht auf die Linien des Kopfes beschränken, denn der Kopf gehört zu einem Körper, zu einer Umgebung, die seine Erscheinung beeinflusst, er ist nur Teil eines Ganzen, das ich nicht verleugnen kann.“ Darstellungen dieser Art gehören seit dem 18. Jahrhundert zu besonderen Kunststücken der Skulptur. In Marmor ausgeführt, zeigen sie den Schleier, lassen aber das darunterliegende Gesicht trotzdem erkennen. Berühmt sind vor allen Christusdarstellungen. Wohl auch daran erinnert Rosso mit dem lateinischen Titel „Ecce Puer“. Medardo Rosso gilt heute wie Auguste Rodin als ein Hauptvertreter der impressionistischen Plastik. Nach 1906, dem Entstehungsjahr von „Ecce Puer“, schafft Rosso bis zu seinem Lebensende 1928 keine neuen Kunstwerke mehr, sondern fertigt Abgüsse seiner früheren Skulpturen an.