Mädchen im Wald

Das zentrale Thema des deutschen expressionistischen Malers Otto Mueller ist die Einheit von Mensch und Natur. Mueller ist Mitglied in der Künstlervereinigung „Die Brücke“ und beschwört in seinen Bildern eine naturverbundene Lebensweise als idealisiertes Gegenbild zur industrialisierten großstädtischen Lebenswelt. Während sich viele seiner Zeitgenossen mit außereuropäischen, sogenannten „primitiven“ Kulturen beschäftigen, reist Otto Mueller nach Bosnien, Ungarn und Rumänien. Die Lebensweise der Roma und Sinti, die er dort kennen lernt, entspricht seiner Vorstellung eines vorzivilisatorischen Idylls. In zahlreichen Graphiken und Malereien fängt der Künstler diese Naturverbundenheit und Natürlichkeit ein und schafft damit ein Gegenbild zur traditionellen akademischen Aktmalerei. Das hier gezeigte „Mädchen im Wald“ sitzt nackt auf einem Stein und blickt scheu wie ein Tier aus dem Bild. Ihr Körper ist in die Umgebung der Natur eingespannt, ihre Arme nehmen die Bewegung der benachbarten Bäume auf und ihre Füße verschmelzen mit dem Waldboden. Vegetative Natur und Körper scheinen eins zu sein. Muellers Farbpalette unterstreicht diese Verbundenheit. Während viele Expressionisten mit übersteigerten und subjektiven Farben malen, bleibt Mueller in seiner Farbwahl weitgehend realistisch. Er malt seine Bilder mit Leimfarbe auf Jute in vorwiegend tonigen und dämmrigen Farben. Der Kontrast von erdiger Natur und blau leuchtendem Hintergrund im hier gezeigten Bild versetzt die Komposition in Spannung.