Dienstag bis Sonntag
10 bis 18 Uhr
Objektbeschreibung | 16mm Film, S/W, optischer Ton, 7 min 22 s |
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Objektkategorie | Medien-Video |
Erwerbungsjahr | 2014 |
Inventarnummer | AV 239/0 |
Creditline | mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien |
Rechteverweis | Wardill, Emily |
Weitere Informationen zur Person | Wardill, Emily [GND] |
Die Bilder in „The Palace“ sind unklar. Der Film zeigt etwas, das zuerst wie eine Fassade aussieht, deren Größe und Umgebung man jedoch nicht sieht. Die fahlfarbigen, aber doch erstaunlich kontrastreichen Details erinnern an Bilder aus einem Elektronenmikroskop. Die gezeigte Oberfläche wird scharf, dann wieder unscharf; eine Landschaft aus hellen Kämmen und düsteren Tälern, deren Materialität niemals klar zutage tritt. Dies ist indes ein Hinweis darauf, dass es sich um computergenerierte Bilder handelt, die so berechnet werden, dass ein realer physikalischer Prozess simuliert wird. Durch das Medium des Films projiziert, suggerieren die Bilder Erweiterung und Verdichtung zugleich, da das digitale Bild vorgibt, ein analoges zu sein, genauso wie umgekehrt der analoge Film die Ästhetik des digitalen Bildes projiziert. Die Aufnahmen sind mit einem Offkommentar unterlegt, in dem eine Männerstimme Anekdoten preisgibt. Vergleichbar den unscharfen Bildern, sind aber auch diese Erzählungen vage. Sie gehen hervor aus einem Denken und einem Wahrnehmen, bei denen konkrete Einzelheiten undeutlich bleiben. Das Narrativ beginnt mit der Nacherzähnlung eines Dialogs mit einer Frau, möglicherweise der Partnerin des Erzählers, deren monochrome Farbwahrnehmung, eine fast totale Farbenblindheit, er zu begreifen versucht. Dann fährt er fort, er sei Entwicklungshelfer gewesen, wobei suggeriert wird, er habe zugleich auch geheime Informationen gesammelt. So musste er große Mengen von Daten – zur Geografie des Landes, über Regierungen und die „verantwortlichen Amtsträger“ – auswendig lernen. Der Mann beschreibt die mnemotechnische Methode des „Memory Palace“ (Gedächtnispalasts), eine Loci-Methode, bei der in einem vorgestellten konkreten Raum gebündelte Informationen mit bestimmten architektonischen Details assoziiert und anhand dieser memoriert werden. Der visuelle Aspekt von „The Palace“ kombiniert die beiden genannten Formen der kognitiven Plastizität, nämlich die Sehstörung und ihre Auswirkungen auf das subjektive Erleben und die bewusste Abstraktion des Gedächtnispalastes, mit dem die neuronale Kapazität vergrößert wird. Der fast monochrome digitale Raum im Film ist ein materieller Raum, der erzeugt wird durch eine Abstraktion – einen Kompressionsalgorithmus – mit Datenverlust. Zugleich nähert sich der Raum der Selektivität des Gedächtnispalasts an, in dem die Aufgabe, sich zu erinnern – das heißt eine effektive Methode zu finden, sich große Informationsmengen zu merken –, darauf beruht, sich eine Äquivalenz zwischen materiellen Formen und abstrakter Information vorzustellen. Wie schon die Unschärfe zwischen Uneigennützigkeit und vorgetäuschter Anpassung in der Identität des Entwicklungshelfers und Spions andeutet, verweist der Film auf die Möglichkeit, dass die vermeintliche Realität aus Fantasiegespinsten bestehen könnte, weil das Gehirn neuronale Verbindungen ausbildet, welche die Prozesse von Wahrnehmung und Interpretation ineinanderfließen lassen.