Hanne Darboven, die in den 1960er-Jahren während eines zweijährigen Aufenthalts in New York mit der gerade aufkommenden Konzeptkunst in Berührung kam, hat über mehrere Jahrzehnte hinweg ein hochgradig idiosynkratisches Werk geschaffen, in dem sie sich mit dem Vergehen und der Notation von Zeit befasst. Im Zentrum ihrer oftmals umfangreichen Installationen stehen unzählige gerahmte Papierseiten, die sie tagaus, tagein mit fast mönchischer Disziplin mit Wellenformen, Strichen oder Quersummenrechnungen auf Grundlage der Zahlen des jeweiligen Datums beschrieb. Bisweilen kopierte Darboven dabei ganze Bücher oder zeichnete den Verlauf bestimmter Epochen nach. In der Verräumlichung wird dabei vergehende, persönliche oder historische Zeit greifbar.

Diese unbetitelte Arbeit aus dem Jahr 1972 besteht aus wenig mehr als zehn Blättern im gleichen Format, gerahmt jeweils in einen Metallrahmen. Sämtliche Blätter sind mit Wellenlinien entlang vorgezeichneter horizontaler Hilfslinien beschrieben. Entgegen dem ersten Eindruck handelt es sich aber gerade nicht um Schriftzeichen, die einen wie auch immer gearteten Inhalt transportieren, sondern um den möglichst reinen Ausdruck einer klar definierten Tätigkeit. Inhalt ist insofern die Zeit selbst, die in das Beschriften dieser Seiten floss, verkörpert in einer zwar sichtbar individuellen, aber sich auf die reine Ausführung beschränkenden Handschrift.