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mumok Perspektiven
Mapping the 60s
When Attitudes Become Form – Konzept, Material, Prozess
Mapping the 60s auf Ausstellungsebene -2, kuratiert von Heike Eipeldauer, beleuchtet die bahnbrechende Ausstellung Live in Your Head: When Attitudes Become Form (1969) in der Kunsthalle Bern.
1969 fand in der Kunsthalle Bern eine Ausstellung statt, die als eine der wichtigsten der jüngeren Kunstgeschichte gilt: Live in Your Head – When Attitudes become Form. Works – Concepts – Processes – Situations – Information. Der Kurator Harald Szeemann vereinte darin eine neue Generation von Künstler*innen, darunter Hanne Darboven, Pier Paolo Calzolari, Richard Long, Richard Serra oder Franz Erhard Walther, die sich sowohl von der gesellschaftlich und an den Massenmedien ausgerichteten Pop Art wie der puristischen und selbstbezüglichen Minimal Art der vorangegangenen Jahre abgrenzten. Stattdessen lag der Fokus auf Konzepten, Prozessen und Veränderlichkeit, auf ephemeren Ereignissen oder gar nur auf sprachlichen, fotografischen oder numerischen Anweisungen oder Informationen.
Betont wurde in diesem neuen Kunstverständnis vor allem die künstlerische Idee und das künstlerische Handeln. Kunst galt als maßgeblich von den eingesetzten Materialien bestimmter zeitlich begrenzter Prozess mit offenem Ausgang, der nicht notwendigerweise in einem abgeschlossenen und „warenförmigen“ Werk mündete. Oder, um es mit den Worten des US-amerikanischen Bildhauers Robert Morris zu formulieren: Eine „Tätigkeit des Veränderns, der Desorientierung, des Verschiebens, der gewaltsamen Diskontinuität, der Verwandelbarkeit und der Bereitschaft zur Verwirrung auch im Dienst der Entdeckung neuer Wahrnehmungsweisen.“
In der Rückschau scheint sich in dieser je nach Schwerpunktsetzung bald „Conceptual Art“, „Prozesskunst“, „Post-Minimalismus“, „Anti-Form“, „Performance Art“, „Land Art“ oder „Arte Povera“ genannten neuen Kunst der Geist der zweiten Hälfte der 1960er- Jahre mit ihren politischen, sozialen und ökonomischen Umbrüchen zu verdichten: Freiheit im Ausdruck, ergebnisoffenes und erlebnisbasiertes Handeln und damit nicht zuletzt die Betonung eigener Subjektivität. Vom Primat des Mediums verschiebt sich der Schwerpunkt hin zum jeweils persönlichen Empfinden und Verhalten, kurz, zu einer individuellen „Praxis“: Vorläufigen Formen liegt eine jeweils einzigartige Haltung, eben eine „Attitüde“ zugrunde. Dieses Verständnis kann auch heute noch Gültigkeit beanspruchen.
Wenn gleich When Attitudes become Form bei weitem nicht die einzige Ausstellung war, die sich dieser radikal neuen Kunst widmete, gilt sie als zentrales Ereignis in der Geschichte des Ausstellungsmachens wie auch als Geburtsstunde des modernen Begriffs des Kuratierens; 2013 wurde sie gar in einem Remake in der Fondazione Prada in Venedig wiederholt. Die Ausstellung setzte wegweisende Akzente bei der Entwicklung prozessualer Produktions- und Präsentationsformen, wobei der Ausstellungsraum als eine Art kollektives und offenes Atelier fungierte, in dem viele der Arbeiten erst entstanden. Den heutigen Standards an Diversität wird sie jedoch alles andere als gerecht: Fast alle Künstler*innen stammten aus den USA oder Westeuropa, und unter den im Katalog genannten 69 Positionen fanden sich mit Hanne Darboven, Eva Hesse und Jo Ann Kaplan gerade einmal drei weibliche.
Die hier präsentierten Arbeiten aus der mumok Sammlung stammen allesamt von Künstler*innen, die 1969 an When Attitudes become Form beteiligt waren und stehen exemplarisch für jenen historischen Umbruchsmoment und die daraus hervorgegangenen künstlerischen Ansätze. Wie damals bilden sie teils überraschende, über kunsthistorische Einordnungen hinausgehende Nachbarschaften und Diskurgemeinschaften, die künstlerische Produktion als relationale, „in Bewegung“ bleibende Praxis veranschaulichen.