Mich haben sofort die Teppiche von Diedrick Brackens angesprochen. Ich bin in Istanbul aufgewachsen – unsere Teppiche aus der Türkei sind nicht gewebt, sondern geknüpft. Aber die teuren, edlen sind genauso dünn wie diese gewebten. Auch wunderschön! Jeder Teppich erzählt eine Geschichte, leider kann sie fast niemand hier lesen. Diese Teppiche sind auch Musik – ich kann sie gut hören. Ich habe schon viele Frauen ins Museum gebracht, sie dachten vorher, wie ich, sie haben Wichtigeres zu tun und was bedeutet das schon alles. Wenn ich es ihnen dann erklärt habe, was ich vorher gelernt habe, fanden diese Frauen alle etwas in ihrem Kopf dazu, Kunst heilt so viel.
Also noch einmal, ich komme aus Istanbul, ich kann auch sagen, aus dem goldenen Byzanz – klingt das nicht gut? Meine eigene Geschichte ist fast wie damals:
Zum Beispiel: Kaiser Otto I. wollte seinen Sohn gut verheiraten und hat dazu einen Botschafter nach Byzanz geschickt. Der dortige Kaiser Nikephoros Phokas, der sich als einzig wahren Kaiser gesehen hat, hatte nur Spott für ihn. Er hat diesen Botschafter so ausgelacht und wo es ging, erniedrigt. Aber Otto hat nicht lockergelassen. Der nächste Kaiser in Byzanz schickte ihm schließlich seine Nichte Theophanu für seinen Sohn Otto II. ins Deutsche Reich.
Ich bin mit 14 nach Österreich geschickt worden. Mein Mann hat auch hier auf mich gewartet.
Ich hoffe für Theophanu, dass Adelheid mehr aus ihrer eigenen Jugend gelernt hat und netter zu ihr war als meine Schwiegermutter. Aber Theophanu war eine unglaublich starke Frau. In meinen Grenzen mach ich es ihr nach. Zuerst habe ich das in meinem kleinen privaten Umfeld getan. Nach recht schwierigen Lehrjahren habe ich meinen Kreis erweitert und bin zu Frauen gestoßen, die eine ähnliche Geschichte und genauso viel Kraft hatten. Jetzt arbeite ich mit sehr viel Freude in einem Frauenkollektiv. Für die Stärkung von Frauen, Bildung, Demokratie und Gleichberechtigung.
Ich habe erkannt, dass die Kultur in meinem Land – auch wenn die politische Situation dann schwieriger wurde – viel älter, viel durchdachter und einfach zivilisierter war. Menschen, die sagen, sie sind in Wien „wohnhaft" und ihre Freiheit sei durch Migration in Gefahr, sind nicht zivilisiert.
Ich habe viel Zurückweisung, Misstrauen, Erniedrigung und Ausgrenzung erlebt. Solange ich meine Haare zeigte, waren sie zu Schwarz, seit ich ein Kopftuch trage, ist es zu bunt.
Unser Frauenkollektiv tritt für eine offene Beziehung zwischen Kulturen ein, wir wollen einen neuen Gesellschaftsvertrag. Einen Vertrag, der verhandelbar ist. Einen Vertrag, in den neue Themen hinein und alte herausgenommen werden dürfen. Inhalte sollen von allen diskutiert und nicht von ein paar Außenseitern Angst gemacht werden. Wir verweben die Kulturen wie Brackens seine Teppiche.
Das ist Kunst! Kunst für Österreich.