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mumok Perspektiven

Mapping the 60s

documenta 4

documenta 4

Mapping the 60s auf Ausstellungsebene -2, kuratiert von Naoko Kaltschmidt, widmet sich der documenta 4 aus dem Jahr 1968. Diese ging als „Americana“ in die Geschichte ein – warum, erfahren Sie hier.

1968 fand die vierte Ausgabe der documenta statt, und die Ereignisse dieses turbulenten Jahres mit seinen Studierendenrevolten und den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg machten auch vor der Kasseler „Weltkunstschau“ nicht halt. So kam es während der Eröffnung zu wiederholten Protesten und lautstarken Diskussionen. Kurz zuvor waren auch die Mailänder Triennale und die Biennale in Venedig mit ähnlichen Auseinandersetzungen konfrontiert. In Kassel nutzten Künstler*innen wie Jörg Immendorff und Wolf Vostell die Pressekonferenz für ihre Kritik am Fehlen aktueller Strömungen wie Fluxus, Happening und Performance in der Ausstellung, an einer in ihren Augen zu großen Marktnähe und Gefälligkeit sowie an einem im Vergleich zu den europäischen und insbesondere westdeutschen Positionen wahrgenommenen Übergewicht US-amerikanischer Beiträge insbesondere aus dem Umfeld der Pop Art. Letzterer Vorwurf brachte der documenta 4 den Beinamen „Americana“ ein. Tatsächlich betrug der Anteil der US-amerikanischen Künstler*innen an der Ausstellung etwa ein Drittel. Aus heutiger Perspektive eklatanter erscheint aber, dass sich unter den 150 beteiligten Künstler*innen gerade einmal fünf Frauen befanden: Jo Baer, Chryssa, Marisol, Louise Nevelson und Bridget Riley.

 

Die teils heftige Kritik an der documenta führte schließlich sogar zur Gründung der Zeitschrift Interfunktionen, die bis 1975 existieren sollte und sich unter der Herausgeberschaft von Friedrich W. Heubach und später Benjamin H. D. Buchloh zu einer der einflussreichsten europäischen Kunstpublikationen entwickelte. Die erste Ausgabe dokumentierte jedoch vor allem Reaktionen auf die documenta: diverse maschinengeschriebene Artikel und Pamphlete, Korrespondenzen und Zeitungsauschnitte.

 

Ungeachtet dieser Reaktionen und Anfeindungen war die documenta 4 ein großer Erfolg. Es war die letzte Ausgabe, die unter der Ägide ihres Gründers Arnold Bode stattfand, der sie 1955 im noch deutlich von den Spuren des Zweiten Weltkriegs gezeichneten Kassel ins Leben gerufen hatte. Der Rest des sogenannten documenta- Rats war nach dem Abgang einiger prominenter Gestalten der Gründungsphase, darunter besonders der Kunsthistoriker Werner Haftmann, bereits deutlich verjüngt worden. Ein zuletzt 26 Mitglieder umfassendes Gremium sollte nun basisdemokratisch über die Auswahl der Künstler*innen entscheiden. Nach den drei, über weite Strecken retrospektiv ausgerichteten vorangegangenen Ausstellungen stand die documenta 4 auch inhaltlich vor einer Neuausrichtung. Die Ausstellung orientierte sich ab nun ausnahmslos an der Gegenwart und sie begriff sich als Bestandsaufnahme der aktuellen künstlerischen Produktion seit der letzten Ausgabe. Auch international wurde die documenta damit ab nun zunehmend als „Weltkunstausstellung“ (dieser Anspruch relativiert sich freilich aus heutiger Sicht) wahrgenommen, die einen Überblick über das jeweils gegenwärtige künstlerische Schaffen bietet.

 

Mit einiger Verspätung kam in Kassel damit auch die vor allem US-amerikanische Pop Art an, zudem waren aber auch andere Tendenzen wie etwa Color Field Painting, Op Art oder Minimal Art zu sehen. Erstmals fand 1968 zudem die sogenannte „Besucherschule“ von Bazon Brock statt, in der dieser dem interessierten Publikum die Welt der Gegenwartskunst performativ-didaktisch zu vermitteln suchte – ein Ansatz, der die Kunstvermittlung der folgenden documenta-Ausstellungen entscheidend prägen sollte. Insgesamt gesehen schaffte die documenta 4 den Anschluss an die aktuelle Gegenwart und die internationale Kunstproduktion – jedoch um den Preis, nicht mehr aus einer (wie auch immer vorgenommenen) historisch gesicherten Distanz zu agieren, sondern sich in den Grabenkämpfen einer unruhigen Gegenwart mit widerstreitenden Stimmen und Strömungen wiederzufinden.

 

Diese Vielstimmigkeit lässt sich anhand der hier gezeigten Arbeiten aus der mumok Sammlung erkennen. Sie stammen von Künstler*innen, die an der documenta 4 beteiligt waren, wie etwa Öyvind Fahlström, Domenico Gnoli, Konrad Klapheck, Roy Lichtenstein, Bridget Riley, oder Paul Thek. Walter Pichlers Arbeit Fusion von Kugeln (Prototyp 2) war damals in Kassel ausgestellt, als Leihgabe des Museums. Christos 200.000 Cubic Feet Package, eine gigantische, aus synthetischem Stoff bestehende Luftsäule mit einer Höhe von über 85 Metern, war eines der Wahrzeichen der documenta 4. Sie ist hier als Modell vertreten.