Bekannt wurde Jann Haworth (*1942) während der 1960er-Jahre insbesondere für ihre sogenannten „soft sculptures“. Haworth wuchs im kalifornischen Los Angeles als Tochter einer Malerin und Keramikkünstlerin, die ihr das Nähen beibrachte, und eines oscarprämierten Szenenbildners auf. 1961 zog sie nach London, wo sie mit der sich gerade formierenden Pop-Art-Szene in Berührung kam. Mit ihrem damaligen Mann, dem Künstler Peter Blake, war sie 1967 für das berühmte Cover des Beatles-Albums Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band verantwortlich.
Snake Lady entstammt einer Werkphase, in der Haworth sich mit ihrer „Hollywood-Vergangenheit“ auseinandersetzte, ebenso aber mit in jenen Jahren populärer Fantasy-Literatur und griechischer Mythologie. So lässt sich die Skulptur als zeitgenössische Medusa lesen, die ihren Ausgang in einem Flohmarktfund von Schlangenlederschuhen aus den 1940er-Jahren nahm. Davon ausgehend entstand die Idee eines weiblichen Körpers, der in einer Schlangenhaut steckt: Das Gesicht der Figur erscheint im Schlangenmaul, die Haut ist geschuppt, die Arme verwandeln sich in den Kopf beziehungsweise Schwanz einer Schlange.
Für den Körper der Skulptur verwendete Haworth das billige Material Vinyl, für den Kopf erstmals Keramik, um detaillierter arbeiten zu können. Die Kombination aus hartem Kopf und weichem, stofflichen Körper lässt an Marionetten denken. Wie das Nähen und der Ton, das Weben und das Stricken sind Puppen und Marionetten eine Randerscheinung, die ihre marginale Existenz dem nach wie vor nicht gänzlich aus der Welt geschafftem Hierarchiedenken in Bezug auf Materialien und kreative Tätigkeitsfelder verdankt. Mit Snake Lady lässt Haworth jene „randständige“ Erscheinung buchstäblich in einer Figur Gestalt annehmen, in der Fake, Fantastik und das Feminine zu einem Hybrid verschmelzen.