Lee Lozano, die im New York der 1960er-Jahre aktiv war, begann ihre künstlerische Laufbahn Anfang des Jahrzehnts mit expressiven Zeichnungen und Malereien, in denen eine auffällige Anzahl erigierter Penisse und Phalli zu sehen waren. Anschließend malte sie auf großformatigen Leinwänden Werkzeuge, bewegte sich immer weiter in Richtung Abstraktion und konzeptueller Malerei und entwickelte schließlich gegen Ende des Jahrzehnts ihre sogenannten „Language Pieces“ – schriftlich fixierte Anweisungen, mit denen sie ihr Leben durch klar auferlegte Regeln selbst in Kunst verwandelte und dabei einen rigorosen und in dieser Konsequenz seltenen Formwillen an den Tag legte. 1972 orchestrierte Lozano – zunehmend enttäuscht von der gesellschaftlichen Wirkungslosigkeit von Kunst – mit ihrem Dropout Piece sogar den endgültigen Ausstieg aus der Kunstwelt, in die sie bis zu ihrem Tod 1998 nicht mehr zurückkehren sollte.
No Title von 1967 steht an einem Kipppunkt in Lozanos Werk: Das Figurative, das ihr Frühwerk bestimmt hatte, ist fast vollständig zurückgetreten und hat klaren und allgemeinen geometrischen Formen Platz gemacht. Und doch zeigt diese Arbeit, die unmittelbar vor Lozanos bekannter Serie der Wave Paintings entstanden ist, mit der sie noch einmal einen weiteren Schritt in Richtung Abstraktion und konzeptueller Malerei gehen sollte, noch Spurenelemente des Gegenständlichen. Auf der oberen rechten Ecke des für ihre Arbeiten dieser Zeit typisch schlanken Hochformats ist ein heller monochromer Halbkreis zu sehen. Begrenzt wird er von trocken aufgebrachten Blautönen, die Pinselstriche sind deutlich an der Rundung der Form orientiert. Das im Grunde abstrakte Bild bekommt die Anmutung eines Tunnels – eines Kippbilds, Ausblicks oder Durchgangs.